Evaluation der „Euro-WG“: 72,1% der Jugendlichen halten Europa für „eine gute Sache“

Europa und die Europäische Union sind in der öffentlichen Meinung und in der medialen Berichtserstattung der letzten Jahre nicht unbedingt populär. Die Idee eines geeinten Europas und besonders die europäischen Institutionen werden deutlich in Frage gestellt: „Ich glaube, dass die EU tödlich bedroht ist", so drastisch formulierte es Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, 2013 in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger. Und: „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen."

Die zurückgehende Akzeptanz, die sich seit einigen Jahren auch im sog. Eurobarometer abbildet, stellt auch die europäische Jugendbildungsarbeit vor große Herausforderungen: Wie kann es gelingen, die scheinbar selbstverständlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte eben als nicht selbstverständlich zu vermitteln? Wie kann ein differenzierter Blick auf eine so schwierige Materie wie die Krise der gemeinsamen Währung in einer „jugendgerechten" Art und Weise unterstützt werden? Eine Antwort hierauf versuchen die Initiatoren des Projekts und des Bühnenstücks „Die Euro-WG", Dirk Schubert, Thomas Nufer und Wolfram Kuschke, Europaminister a.D. und Vorsitzender der Europa-Union in Nordrhein-Westfalen. Das Bühnenstück nimmt sich der Staatsschulden- und Eurokrise an und bereitet diesen eher trockenen Stoff für Jugendliche und junge Erwachsene auf schnelle, schräge, kompakte und informative Weise auf. Das Bühnenstück „Die Euro-WG" wurde inzwischen nicht nur in ganz Nordrhein-Westfalen aufgeführt, sondern auch in anderen Regionen der Republik. Pressemitteilungen und die zahlreichen positiven Rückmeldungen in der begleitenden Evaluation der Besucher - Schüler/innen und Lehrer/innen aus NRW - belegen, dass das 4-Personen-Stück mit dem Italiener Antonio (Ludger Wördehoff), der Finnin Sirii (Corinna Bilke), der Griechin Xenia (Janine Quandt) und dem Deutschen Paul (Claus Becker) gut ankommt.

Wie gut das Stück ankommt, welche Effekte es hat und ob die selbstgesteckten Ziele der Projektmacher erreicht werden, dazu befragte HeurekaNet - Freies Institut für Bildung, Forschung und Innovation zwischen dem 3. Oktober 2013 und dem 15. Mai 2014 die ZuschauerInnen von 22 Aufführungen in ganz Nordrhein-Westfalen. Es antworteten 2.008 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 25 Jahren.

Die Daten zeigen, dass das Theaterstück Jugendlichen und jungen Erwachsenen verschiedener Schulformen einen leichten Einstieg und Zugang zum komplexen Thema der Finanz- und Wirtschaftskrise bieten . Das Theaterstück leistet einen deutlichen Beitrag zum Verständnis der SchülerInnen für die Ursachen (55,9% stimmen dem zu) und für die Folgen der Krise (60,5%), ein Lernzuwachs wurde auch zum Umgang mit der Krise (40,6%) bescheinigt.

Neugierde auf Europa und auch mitreden? Ja, sicher ...aber! Fast die Hälfte der Befragten fühlt sich offenbar inspiriert und gibt an, zu Hause oder in der Schule bei dem Thema der Finanz- und Wirtschaftskrise mitreden zu wollen. Soweit die gute Nachricht. Aber: „Ich möchte nun noch mehr über die Finanz- und Wirtschaftskrise erfahren" - diese Aussage stieß zu je rund einem Drittel auf Zustimmung, Unentschiedenheit oder Ablehnung. Genug gelernt? Einerseits klasse, dass das Stück offensichtlich den Wissensdurst vieler Jugendliche stillen konnte, anderseits: Kann man genug gelernt haben?

Dass Europa nicht in Brüssel ist, sondern direkt vor der Haustür beginnt und unmittelbar mit dem eigenen Lebensumfeld verknüpft ist, dies zu vermitteln, ist besonderes Anliegen des Theaterstücks. Über der Hälfte (53,7%) der SchülerInnen bestätigt, dass die Theateraufführung ihnen die Auswirkungen Europas auf ihr eigenes Leben verdeutlicht hat, lediglich 15 Prozent der Befragten haben dies nicht so erlebt.

Das Theaterstück hat auch zu einer positiven Wahrnehmung Europas bzw. seiner wirtschaftlichen und politisch-gesellschaftlichen Integration beigetragen. „Spitzenreiter" ist mit knapp 70 Prozent Zustimmung die Bedeutung der Reisefreiheit noch vor der Wichtigkeit von Begegnung und Austausch und friedlichem Zusammenleben.

Lust auf kulturelle Vielfalt? Das Werben für die positiv aufgeladene Wahrnehmung der kulturellen Vielfalt in Europa ist ein weiteres Anliegen des Theaterstücks. Das ist weitreichend gelungen! Eine Mehrheit von 53 Prozent der SchülerInnen begegnet den in der Theateraufführung dargestellten unterschiedlichen Lebensstilen und Denkweisen innerhalb der Euro-WG aufgeschlossen und positiv.

Und zum Schluss: Wie blicken die SchülerInnen eigentlich auf die EU-Mitgliedschaft? 72,1 Prozent der 2.008 Jugendlichen und jungen Erwachsenen schätzen die EU-Mitgliedschaft als eine „gute Sache" für Deutschland ein, 12,5% antwortet mit „weder gut noch schlecht", 4,4 Prozent mit „eine schlechte Sache. 10,9 Prozent geben an, es nicht zu wissen. Die Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die einzelnen Menschen werden von den Befragten viel vorsichtiger eingeschätzt. 53,6 Prozent der SchülerInnen sind der Ansicht, dass es den Menschen in Deutschland durch die EU-Mitgliedschaft „eher besser" gehe. 20,6 Prozent geben an, dass es den Menschen dadurch „weder besser noch schlechter" gehe, 9,4 Prozent wählen die Antwort „eher schlechter". 16 Prozent geben an, es nicht zu wissen.

Soweit einige ausgewählte Ergebnisse in aller Kürze. Die vollständige Evaluationsstudie steht hier zum kostenfreien Download bereit .

Die Evaluation der „Euro-WG" wurde durch Malte Flachmeyer, Marcus Flachmeyer und Samuel Grimm durchgeführt.

Malte Flachmeyer, Studium der Staatswissenschaften in Erfurt und Lyon (BA 2010), anschließend der Sozialökonomie in Hamburg (MA 2013). Er ist bei HeurekaNet als wissenschaftlicher Mitarbeiter federführend in der Evaluation des Projekts „Die Euro-WG - Wo Geld ist, ist es schön" tätig.

Marcus Flachmeyer, Studium in den Fächern Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie in Frankfurt am Main und Münster mit Abschluss Diplom Pädagoge (1986). Er ist bei HeurekaNet Mitglied des Vorstands und aktuell im Projekt „ampaq - Gender Upgrade NRW" als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Samuel Grimm, Studium der Erziehungs- und Bildungswissenschaft mit Nebenfach Europäische Ethnologie/ Kulturwissenschaft in Bamberg (BA 2012). Anschließend Studium der Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Bildungstheorie und Bildungsforschung und Nebenfach Soziologie in Münster, in dessen Rahmen er sein erziehungswissenschaftliches Praktikum bei HeurekaNet absolviert hat.

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Logo des Modellprojekts „Die Euro-WG – wo Geld ist, ist es schön“